
Kinderstimmen ins Rathaus - Unser Pilotprojekt für politische Beteiligung von Anfang an
In der Regel beginnt politische Beteiligung, zumindest über die Einrichtung hinaus, für Kinder in Hamburg mit der Schule – durch Schüler:innenparlamente, Wahlprojekte oder erste Kontakte zu demokratischen Gremien. Doch was ist mit den Jüngeren? Mit Kindern, die längst Teil des Alltags in dieser Stadt sind, aber noch nicht als Gesprächspartner:innen für politische Entscheidungen wahrgenommen werden?
Mit dem Projekt „Kinderstimmen ins Rathaus“ wollten wir genau das ändern – und zeigen, dass auch Kinder im Kita-Alter ihre Umgebung sehr genau beobachten, klare Vorstellungen haben und wertvolle Beiträge zur Stadtgestaltung leisten können.
Am 15. April 2025 präsentierten wir die Ergebnisse unseres Pilotprojekts gemeinsam mit Kindern aus der Kita Sandvika und dem Fantasie-Kinderhaus Wilhelmsburg direkt im Hamburger Rathaus – der Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und weiteren Gästen aus Politik und Zivilgesellschaft. Für viele Kinder war dieser Moment mehr als eine symbolische Geste: Er machte deutlich, dass ihre Sichtweisen gehört werden – in einem Raum, der sonst Erwachsenen vorbehalten ist.
Warum wir in der Kita anfangen
In Hamburg besuchen rund 98 % der Kinder zwischen drei und sechs Jahren eine Kindertageseinrichtung. Die Kita ist damit nicht nur ein Bildungsort, sondern ein zentraler Raum für frühe Demokratieerfahrungen. Doch politische Bildung beginnt nicht mit der Vermittlung von Wahlsystemen – sondern mit dem Gefühl, gehört zu werden.
Unser Projekt fragt daher nicht: „Können Kinder mitreden?“ – sondern: „Wie müssen wir fragen, damit Kinder mitreden können?“
In enger Zusammenarbeit mit Bastian Walther (DESI-Institut) und Jessica Rother, Expertin für Kinderbeteiligung, haben wir ein dialogisches, kindgerechtes Beteiligungskonzept entwickelt. Es basiert auf dem bewährten Ansatz von „Achtung Kinderperspektiven!“, adaptiert für Fragen von Stadtentwicklung und gesellschaftlicher Teilhabe.
Zuhören – ernsthaft und strukturiert
Drei Kitas aus unterschiedlichen Hamburger Bezirken beteiligten sich an der Pilotphase. Dort sprachen ausgebildete „Kindervertreter:innen“ mit Fünf- bis Sechsjährigen – in Gruppeninterviews oder bei sogenannten Verbesserungsspaziergängen durch den Stadtteil.
Dabei ging es nicht um „süße Anekdoten“, sondern um echte Perspektiven: Wo fühlen sich Kinder sicher? Wo gibt es Barrieren? Was müsste sich ändern, damit Hamburg kindgerechter wird? Die Erhebung wurde aufgezeichnet, transkribiert und mit qualitativen Methoden ausgewertet – fundiert, mit Respekt vor der Deutungshoheit der Kinder.
Die Ergebnisse: klar, kreativ – und politisch relevant
In den Gesprächen wurden fünf zentrale Themenbereiche besonders deutlich – Themen, die zeigen, wie weitreichend Kinder ihre Umwelt wahrnehmen und reflektieren:
Saubere und kindgerechte Toiletten auf Spielplätzen und in Parks
„Nur im Hammerpark gibt’s Toiletten.“
Ein Grundbedürfnis, das in vielen öffentlichen Räumen fehlt. Kinder wünschen sich saubere, nutzbare Toiletten – in ihrer Höhe, mit einfachen Türen, für ein selbstbestimmtes Draußen-Sein.
Stadträder in Kindergröße
„Wir wollen Stadträder, die auch für Kinder gemacht sind!“
Die Begeisterung beim Anblick einer Radstation war groß – ebenso wie der Frust, dass kein Fahrrad für sie geeignet war. Kinder wollen mobil sein, unabhängig, gemeinsam mit Freund:innen – genau wie die Großen.
Verkehrssicherheit und Bewegungsfreiheit
„Da dürfen wir rennen!“
Parks bieten Freiraum – die Straße hingegen Regeln und Kontrolle. Kinder nehmen diese Unterschiede sehr bewusst wahr und formulieren klare Wünsche: sichere Verkehrswege, die ihnen Raum zum selbstständigen Bewegen lassen.
Übergänge zur Schule gestalten
„Ich will die Schule von innen sehen!“
Für viele Kinder ist die Schule ein unbekannter, aber aufregender Ort. Besonders deutlich wurde: Wer ältere Geschwister hat, kennt sie – wer nicht, bleibt außen vor. Kinder wünschen sich, ihre künftige Schule frühzeitig erleben zu dürfen.
Der Dom als Sehnsuchtsort – aber stressfrei
„Wir wollen einen Tag auf dem Dom nur für Kitas!“
Die Hamburger DOM war in fast allen Gruppen Thema. Er wurde geliebt – aber auch als laut, voll und überfordernd erlebt. Die Kinder wünschen sich einen niedrigschwelligen Zugang – sicher, ruhig, kindgerecht.
Was wir gelernt haben
Unser Fazit: Kinder haben etwas zu sagen. Aber sie brauchen Räume, in denen ihre Stimmen ernst genommen und strukturiert aufgegriffen werden. Die Rückmeldungen auf unser Projekt – aus der Politik, von Fachkräften und aus der Zivilgesellschaft – zeigen: Es gibt ein wachsendes Interesse daran, politische Bildung auch im Elementarbereich zu verankern.
Natürlich: Ein Pilotprojekt mit begrenztem Umfang ersetzt keine systematische Beteiligungsstruktur. Aber es zeigt das Potenzial. Und es hat etwas ausgelöst – bei den Kindern, bei den beteiligten Einrichtungen und auch bei uns.
Wie geht es weiter?
„Kinderstimmen ins Rathaus“ war für uns kein einmaliges Projekt, sondern ein Ausgangspunkt.
Wir sehen große Chancen, das Modell weiterzuentwickeln – mit mehr Einrichtungen, in neuen Stadtteilen, auf weitere Themen bezogen. Die methodischen Grundlagen sind erprobt, das Interesse ist da – was jetzt folgt, ist der Ausbau.
Als Kindermitte e.V. bringen wir das Netzwerk und das Know-how mit, um politische Beteiligung in der frühen Bildung strukturell zu stärken. Dafür brauchen wir Partner:innen, die mit uns daran glauben, dass Demokratie bei den Kleinsten beginnt.
Danke & Aufruf
Unser besonderer Dank gilt dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Sozialbehörde Hamburg, die diese Pilotphase durch ihre Förderung möglich gemacht haben. Ohne diese Unterstützung hätte es dieses Projekt so nicht gegeben.
Ihr möchtet mehr über das Projekt erfahren oder könnt euch vorstellen, mit eurer Einrichtung mitzuwirken?
Dann kommt gerne auf uns zu.
Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass Hamburg eine Stadt wird, in der Kinder nicht nur mitgedacht – sondern aktiv beteiligt werden.


Schreibe einen Kommentar