
„Kinder - Minderheit ohne Schutz“
Ein ausverkaufter Saal K6 auf Kampnagel, ein gemischtes und sehr klatschfreudiges Publikum, ein wichtiges Thema und ein redefreudiger Aladin El-Mafaalani.
Das klingt doch erstmal nach einem gelungenen Freitagabend-Programm.
Um was ging es inhaltlich? Aladin El-Mafaalani stellte sein neues Buch „Kinder Minderheit ohne Schutz“ vor, in dem er sich gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftlern aus soziologischer Sicht mit dem Wandel unserer Gesellschaft und im Besonderen der Stellung der Kinder beschäftigt hat.
Die demografische Schieflage in der wir uns befinden wurde ausreichend mit Zahlen, Daten, Fakten hinterlegt und dargestellt.
Einige erschreckende Zahlen sorgten für Stille im Publikum und nachdenkliche Gesichter ( zB. feierten 2024 doppelt so viele Menschen ihren 60sten Geburtstag wie Kinder geboren wurden).
Diese Altersverschiebung hat diverse Folgen: angefangen bei der Tatsache, dass Kinder immer mehr zur Ausnahme und damit zum Störfaktor werden, über wirtschaftliche Folgen im Renten- und Sozialsystem bis hin zur Möglichkeit der demokratischen Beteiligung.
Aladin El-Mafaalani beschrieb verheerende Auswirkungen und bereits lange sichtbare Ergebnisse in allen Bildungssystemen. Kitas und Schulen sind absolut unterrepräsentiert und unterfinanziert. Schlechte Bildungsergebnisse sind nicht mehr auf den politischen Agenden zu finden und sorgen für keinen gesellschaftlichen Aufschrei mehr.
Kinder und deren Lebensmöglichkeiten werden zunehmend eingeschränkt, Lebenswirklichkeiten nicht anerkannt. Kinder wachsen spätestens seit 2007 in einer Welt der dauerhaften Krisen auf, Zuwanderung und Superdiversität sind für diese Altersklassen kein „Problem“ sondern Normalität. Bereits heute liegt der Anteil der Kinder im Kitaalter mit „Migrationshintergrund“ bei 40%. Tendenz steigend.
Die Zeiten von Kindern in Bildungssystemen verlängern sich seit Jahren stetig und der Druck auf Eltern/Familien steigt. Aus soziologischer Sicht braucht es eine bundesweite Anpassung der Systeme und auf bessere Leistung (Kompetenzsteigerung) ausgerichtete Curricula.
Wenn wir Rente, Gesundheit und Soziales in unserem Land erhalten wollen, müssen Kitas verstärkt erzieherische Aufgaben der Eltern übernehmen, einzelne Bildungssysteme besser zusammenarbeiten und aufeinander vorbereiten, Rentner müssen in die soziale Verantwortung für Kinder und Jugendliche und Arbeitgeber müssen gemeinsam mit der Politik die Wichtigkeit einer guten Bildung anerkennen und dementsprechend handeln.
Eine beeindruckende und wirksame Ressource wäre z.b. die Babyboomer bei Renteneintritt zu verpflichten, mindestens 1 Jahr in den Bildungssystemen zu arbeiten (bezahlt und strukturiert). Sollten nur 10% der Renter:innen dieser Verpflichtung nachkommen, könnte man die Zahl der in den Einrichtungen tätigen Erwachsenen mit einem Schlag verdoppeln!
Aladin El-Mafaalani zeichnete das Bild der untergehenden Titanic und prognostizierte ein weiteres Sinken für die nächsten 5-10 Jahre.
Neben aller klaren Zahlen, Umfragen und bereits sichtbaren Ergebnissen rührte sich in meinem Pädagoginnenherz doch immer wieder Widerstand.
Der rein soziologische Blick auf die Gesellschaft lies wenig Raum für Fragen der Individualität, der Zufriedenheit und soft skills.
Einer der letzten Sätze des Abends traf mich tief ins Herz. Sinngemäß lautete er „auf der sinkenden Titanic geht es um das große Ganze und nicht um Einzelfragen wie die Förderung von Menschen mit Behinderung. Dafür ist weder Platz noch Geld da.“
Ich werde nicht aufhören, an die Menschen zu glauben und das Bedürfnis nach verantwortungsvoller Gemeinschaft und Zugehörigkeit.
Ich glaube daran, dass düstere Zukunftsprognosen selten genauso eintreffen und dass wir als Menschen Veränderung und Krise überstehen (und sogar daraus lernen).
Ich empfehle trotz oder gerade wegen meines persönlichen Widerstandes allen das Buch „Kinderheit Minderheit ohne Schutz“ von Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier.
Egal aus welcher Sicht: KINDER MÜSSEN IN DEN FOKUS
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